VCD Verkehrspreis ’99

Stadt Kreuztal für ÖPNV ausgezeichnet

Kreuztal. Die etwas andere Location hatte der Kreisverband Siegen-Wittgenstein des Verkehrsclub Deutschland (VCD) für die Vergabe seines dritten „Verkehrspreises“ ausgewählt: In einer Sonderfahrt im Gelenkbus nutzte der Vorsitzende Achim Walder die Gelegenheit, um der Stadt Kreuztal, vertreten durch ihren Bürgermeister Rudolf Biermann, die „Auszeichnung für Verbesserungen im ÖPNV, besonders für den behindertengerechten Um- und Ausbau der Haltestellen“ zu überreichen. Spender, Geber und Gäste waren mit unterwegs bei der Fahrt von der Kreuztaler Sparkasse aus zu einer entsprechend umgerüsteten Haltestelle in Littfeld.
„Die Stadt hat wirklich einen sehr guten Willen gezeigt. Uns war es bei der Preisvergabe wichtig, dass jemand ausgezeichnet wird, der zu solchen Maßnahmen nicht verpflichtet ist. Unter den zehn, 15 Vorschlägen haben wir uns deshalb für die Stadt Kreuztal entschieden“, erklärte der VCD-Vorsitzender und überreichte an der Haltestelle Littfeld Ort die Urkunde und ein Gleisstück mit entsprechender Gravur an den Bürgermeister. Den Bus fuhr zur Feier des Tages Gerhard Bettermann, der
stellvertretende Betriebsleiter der VWS. Mittlerweile, so erklärte der erfreute Bürgermeister bei der Preisverleihung, gebe es im Stadtgebiet Kreuztal in jedem Stadtteil mindestens eine Haltestelle an den Bundesstraßen, die in den vergangenen Monaten umgerüstet wurde. Es sind derzeit rund 20, optimales Fernziel sind natürlich alle Haltestellen. Für die Stadt ist der Umbau für die Ansprüche behinderter ÖPNV-Nutzer mit Fahrbahnhaltestellen, Fahrbahnmarkierungen und dergleichen mehr keine direkte Belastung, sind doch rund 90 Prozent der Kosten durch ein Landesprogramm gedeckt, der Rest kommt vom Kreis. Die genannten Haltestellen sind außerdem mit Bügeln an den Sitzen, ähnlich Armlehnen, ausgerüstet, die gehbehinderten Fahrgästen das Platznehmen und Aufstehen erleichtern. Dieser Bügel ist eine Konstruktion von Hans-Henning Herkelmann, einem Kreuztaler
Bauamtsmitarbeiter. Mit 18 Zentimeter hohem Bordstein bilden die Fahrbahnkanten („Basa-Drive“) beim Einstieg in die Niederflurbusse auch für Kinderwagen kein Hindernis mehr, auch Rollstuhlfahrer können via Rampe bequem in den Bus gelangen.
Thomas Reincke, der stellv. VCD-Kreisvorsitzende, erläuterte noch einen weiteren Vorteil: Die gängigen Busbuchten verschlingen rund 70 Meter Platz, während die Fahrbahn-Stops mit nur 18 Metern Fahrbahnlänge auskommen. Den Bedenken hinsichtlich des Verkehrsflusses trat entschieden Dr. Heinz Schaldach vom VWS-Vorstand entgegen, der sich an der Preisverleihungs-Fahrt ebenfalls beteiligte.
Die durchschnittliche Verweildauer eines Busses am Halt liege laut entsprechendem Gutachten bei durchschnittliche 20 Sekunden. Das erfordere aber weniger Zeit und sei vor allem ungefährlicher als das Aus- und Einfädeln vom Fließverkehr in oder aus der Busbucht. Auch Dr. Schaldach begrüßte die Entscheidung, der Stadt Kreuztal den Verkehrspreis zuzuerkennen, denn es sei sehr zu loben, dass die Kommune den Empfehlungen und Wünschen der VWS in ihrer Infrastrukturpolitik derart entgegen- komme und solch beispielhaftes Engagement für die behinderten Mitmenschen zeige. Mit an Bord der Sonderfahrt waren auch Rollstuhlfahrerin Margot Schneider und der blinde Fritz Schutz, der den VCD in seinem Wirken berät. „Was die Stadt Kreuztal hier gemacht hat, ist schon vorbildlich. Gucken Sie sich beispielsweise Hilchenbach oder Siegen an. Da gibt es nach meinem Kenntnisstand im ganzen Stadtgebiet keine Markierungen an den Haltestellen“, kommentierte Schutz.

Fahrbahnhaltestellen beibehalten, Busspuren bauen

Gestern hat der Siegener Verkehrsausschuss beschlossen, die Bushaltestellen „P+R Ferndorfbrücke“ und „P+R Birlenbacher Straße“ in Geisweid zurück in die Busbuchten zu verlegen sowie die heutige Schnellbushaltestelle „P+R Kirche“ ganz aufzulassen.
Der heimische Kreisverband des Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat kein Verständnis für diese Maßnahme. „Wieder einmal trifft es die Schwächsten“, so der VCD-Kreisvorsitzende Achim Walder. In einer Busbucht ist ein Einsteigen ohne fremde Hilfe mit Kinderwagen oder Rollstuhl trotz absenkbarer Niederflurbusse nicht möglich.“ Heute, an sogen. ‚Fahrbahnhaltestellen‘ klappt dies jedoch reibungslos.
Besonders fragwürdig fand der VCD die Art und Weise, wie die neue Mehrheit im Verkehrsausschuss mit diesem Antrag umgegangen ist. Polizei und VWS sind noch nicht als beratende Mitglieder des Verkehrsausschusses benannt. Der Vorschlag, sich die Situation vor Ort in der Arbeitskommission des Verkehrsausschusses anzuschauen und dort den Sachverstand von Polizei und VWS zu hören, wurde niedergestimmt.
Die Ein- und Ausfahrt in die Busbuchten bedeutet eine Verzögerung des Busses von mindestens 10 Sekunden. Isoliert betrachtet ist das keine große Verzögerung. „Hochgerechnet auf die gesamte Linie 1 mit ihren 42 Haltestellen zwischen Siegen und Littfeld beeinflusst die Ausführung der Haltestellen“, so Walder,“ die Fahrzeit der Busse um rund sieben Minuten. Um den gleichen Fahrplantakt zu sichern, muss dann auf der Linie 1 ein kompletter Busumlauf zusätzlich eingelegt werden.“ Dieser eine Bus verursacht nach Angaben der VWS jährliche Kosten in Höhe von 250.000 bis 500.000 DM.
Für die Busfahrgäste zwischen Siegen und Geisweid hat sich die Fahrzeit seit 1992 um ein Viertel verlängert, während die Autofahrer heute dank fertiggestellter HTS erheblich schneller als zu Anfang des Jahrzehnts in Geisweid sein können. Daher muss der Busverkehr auf der Hauptachse weiter beschleunigt werden.
Auf der engen Talachse muss der gesamte Verkehr möglichst effizient durchgeführt werden. „Das bedeutet nicht“, so der alternative Verkehrsclub, „möglichst viele Autos über die Straßen zu leiten, sondern möglichst viele Menschen.“ Durch das Halten auf der Fahrbahn kommen die 50 Fahrgäste in einem durchschnittlich besetzten Gelenkbus der Linie 1 mit zehn Sekunden schneller voran. Durch das Halten auf der Straße kommen zwölf Menschen in zehn Autos 15 Sekunden schneller voran. Es ist daher höchst effizient, dem Bus Vorrang zu gewähren.
Walder erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die Busspuren zwischen Siegen und Geisweid seit Anfang der 80er Jahre beschlossen sind, „sobald  die HTS fertig ist“. Nun ist die HTS schon eine ganze Weile fertig, und die Busspuren sind immer noch nicht da. „Hier steht auch die CDU bei uns im Wort,“ so VCD-Vorsitzender Walder.
Da im Siegerland kein Gemeindekämmerer bereit ist, für besseren Nahverkehr Defizite des Verkehrsunternehmens zu tragen, besteht die einzige Möglichkeit darin, den Betreiberunternehmen eine optimale Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Nur dann kann der öffentliche Nahverkehr kostendeckend und attraktiv sein. Die erforderliche Infrastruktur besteht, so der VCD, aus einem funktionierenden Busbahnhof, Busspuren und nicht zuletzt den Fahrbahnhaltestellen für einen schnellen Fahrgastwechsel.