Autobahn A4

VCD fordert unabhängige A4 Machbarkeitsstudie
Autobahn-Studie ohne Neuigkeiten – Sorge um Beeinflußung der Gutachter

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßt es, daß die derzeit in Arbeit befindliche ‘Machbarkeitsstudie’ zum Autobahnbau zwischen Olpe und Bad Hersfeld die Diskussion wieder versachlicht.
Unverständlich ist dem VCD, daß es bezahlte Lobbyisten gibt, die eine Autobahn um jeden Preis wollen ohne Nachweis eines angemessenen Verhältnisses von Aufwand und Ertrag. „Eigentlich,“ so meint der VCD-Kreisvorsitzender „sollte man gerade von Wirtschaftsvertretern erwarten, daß ihnen ein effizienter Mitteleinsatz besonders am Herzen liegt.“
Die methodische Vorgehensweise der Gutachter ist für den VCD gut nachvollziehbar und in sich schlüssig. Damit die Auswirkungen auf die Umwelt auf ein erträgliches Maß reduziert würden, müßte die Autobahn in weiten Abschnitten im Tunnel verlaufen. Das treibt die Baukosten bis auf 20 Millionen Mark je Kilometer hoch – das ist doppelt so viel, wie für einen konventionell trassierten Autobahnabschnitt. Trotz des hohen Aufwandes müßte die Autobahn sehr kurvenreich gebaut werden, so daß auf längeren Abschnitten die zulässige Höchstgeschwindigkeit beschränkt werden müßte.
Sorge bereiten dem Verkehrsclub Bestrebungen einiger Funtionsträger, die Bestrebungen erkennen lassen, die Gutachter zu beeinflussen. Dubiose Fragebogenaktionen tragen nicht zu einem objektivem Ergebnis der Studie bei.
Für den VCD ist es besonders wichtig, daß eine Autobahn ist keine Einbahnstraße ist und den Kaufkraftabfluß aus dem ländlichen Raum verstärken kann. Sie führt nicht nur dazu, daß heimische Betriebe besser Exportieren können, sondern bedeutet auch einen Standortvorteil für auswärtige Unternehmen, die ihre Produkte in Wittgenstein vermarkten. Insgesamt sind die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt durch die Straße zu vernachlässigen.

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VCD-Stellungnahme zur Machbarkeitsstudie Autobahn A4

Der Weiterbau der Autobahn A4 im durch Rothaargebirge und Burgwald verlaufenden Abschnitt Olpe – Hattenbacher Dreieck wird seit Jahren kontrovers diskutiert. In die Diskussion wurden, durch die Dauer der Planungen bedingt, nur noch wenige neue Erkenntnisse und Thesen eingebracht.
Die vorliegende Machbarkeitsstudie bringt neue Argumente in die Diskussion, da sie mögliche Korridore untersucht und bewertet. Dabei wurden die Bedenken zur fehlenden Umweltvertäglichkeit einer Autobahn durch das Rothaargebirge, die von Seiten der Umweltverbände und Bürgerinitiativen vorgetragen wurden, bestätigt.
Der VCD Kreisverband Siegen-Wittgenstein und Olpe (in nachfolgenden als VCD bezeichnet) wurde aufgefordert, seine Positionen zu der ihm vorliegenden Kurzfassung darzulegen.
An einer technischen Machbarkeit dieser gewünschten Straßenverbindung hat es seitens des VCD zu keiner Zeit Zweifel gegeben. Da in der heutigen Zeit fast alles machbar ist, nicht aber alles machbare auch sinnvoll ist, scheint dem VCD allerdings der Titel der Studie falsch gewählt.
Beeindruckend sind die Ergebnisse über die durch die A4 mögliche Zeitersparnis. Doch leider fehlt die Benennung der Zahl der Verkehrsteilnehmer, die Nutznießer der verschiedenen Verbindungen wären.
So bleibt für den VCD die Frage offen, welche Bedeutung die angeführten Relationen im Personen- und Güterverkehr tatsächlich haben. Wie viele Fahrzeuge sind beispielsweise täglich zwischen Köln und dem Wartburgkreis unterwegs? Handelt es sich um 1.000, 100 oder nur um 10 Fahrzeuge am Tag, die 30 Minuten (Personenverkehr) bzw. 50 Minuten (Güterverkehr) Zeit gegenüber der heutigen Fahrstrecke einsparen können?
Um die Frage allgemeiner zu stellen, würde uns interessieren, ob es Erhebungen gibt, wie viele derjenigen Fahrzeuge, die am Dreieck Olpe die A4 befahren, dies bis zum Hattenbacher Dreieck und darüber hinaus tun (und umgekehrt) ?
Wenn nein, warum gibt es diese Zahlen nicht?
Wie hoch ist der Anteil der Fahrzeuge über den neu zu bauenden Abschnitt der A4, die mindestens Quelle oder Ziel im Ausland haben? Diese Zahl wäre wichtig, um die propagierte  transeuropäische Bedeutung der Maßnahme abschätzen zu können. Für uns sind diese Fragen von zentraler Bedeutung, da einschlägige Erhebungen einen Nahverkehrsanteil (Wegestrecke kürzer als 50 km) von 98% aller Pkw-Fahrten ausweisen. Im Güterverkehr liegt der Anteil des Nahverkehrs (hier allerdings bis 75 km betrachtet) bei ca. 85%. Wird im allgemeinen das Verkehrsbedürfnis im Fernverkehr nicht überschätzt? Die Ausfertigung einer ‚Netzspinne‘ des über die A4 verlaufenden Verkehrs, wie sie mit gängigen Simulationsprogrammen erstellt werden kann, wäre hier bereits hilfreich.
Nicht erwartet hätte der VCD, dass die Entlastung der A 45 zwischen Wilnsdorf und Gießen nur ca. 2.000 bis 3.000 Fahrzeuge täglich betragen wird. Das in der Vergangenheit vorgebrachte Argument, die zurückgelegte Wegstrecke des durchgehenden Verkehrs würde durch Wegfall des Umwegs über Gießen reduziert, wird dadurch stark relativiert. Im Gegenteil, durch die A4 wird neuer Verkehr in erheblichem Maße induziert (8 Millionen Kfz-km täglich im Planungsfall 3* vgl. Kurzfassung S. 16).
Selbst innerorts nimmt der Verkehr um 2,5% zu. Wo diese Mehrbelastungen auftreten, führt die Kurzfassung leider nicht auf. Der VCD geht jedoch davon aus, dass gerade im Bereich der Autobahnzubringer erhebliche Mehrbelastungen auftreten werden.
Ein besonderes Augenmerk möchte der VCD auf die Finanzierbarkeit dieser Maßnahme lenken. Eine Summe zwischen knapp vier bis über fünf Milliarden Mark ist auch für Menschen, die mit großen Geldbeträgen umgehen noch ein sehr dicker Brocken. Angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Situation in der Straßenunterhaltung sollte dem Substanzerhalt ein gewaltiger Vorrang gegenüber dem Neubau gewährt werden. Übrigens wurde im Bundesverkehrswegeplan 1992 noch mit Kosten von 2,2 Mrd. DM gerechnet. Die prognostizierten Kosten der durch das Rothaargebirge führenden A4-Varianten haben sich in nicht einmal 10 Jahren mehr als verdoppelt!
Die abgeschätzten Investitionen für die A4 möchten wir einmal in das Verhältnis zu den beabsichtigten Investitionen in den Schienenpersonennahverkehr in NRW stellen. Außerhalb der Verkehrsverbünde Rhein-Ruhr und Rhein-Sieg stehen im verabschiedeten ÖPNV-Bedarfsplan des Landes für vordringlichen, weiteren und möglichen späteren Bedarf zusammen 3,1 Mrd. DM zur Verfügung. Damit können über 1.250 km Schienenstrecke neu gebaut, ausgebaut und reaktiviert werden.
Dadurch haben sicherlich mehr Menschen mittelbare und unmittelbare Vorteile, als durch den Neubau von rund 120 km Autobahn.
Eine Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer würde es erfordern, dass stets vergleichbare Bewertungsverfahren angewendet werden. In der öffentlichen und kommunalen Diskussion wird aber beim Straßenverkehr der volkswirtschaftliche Nutzen betrachtet, während beim ÖPNV vor allem die betriebswirtschaftliche Kostenrechnung kritisch hinterfragt wird.
Das verwendete standardisierte Bewertungsverfahren ist in der Fachwelt nicht unumstritten, es werden z. B. auch die Fahrzeiteinsparungen von Privatreisenden monetär bewertet. Der gegenüber den früheren Betrachtungen gestiegene Kosten/Nutzen-Koeffizient wirft neue Fragen auf. Trotz doppelt so hoher Baukosten (wofür es nachvollziehbare Gründe geben kann) bei weiter steigendem  Kosten/Nutzen-Koeffizient impliziert die Studie einen um mehr als das Doppelte gestiegenen Nutzen. Woher kommt der plötzlich? Gründe werden nicht angegeben. Beim kritischen Leser stellt sich die Frage, ob diese Zahlen nicht einer gewissen Beliebigkeit unterliegen.
Für die A4 wird auf dem NRW-Abschnitt ein Fahrzeugaufkommen von rund 20.000 Fzg/Tag prognostiziert. Der kleinste Autobahnquerschnitt RQ 29,5 ist nach den entsprechenden Richtlinien für ein Fahrzeugaufkommen zwischen 20.000 und 70.000 Fzg/Tag geeignet. Auf mehreren 4-streifigen Autobahnabschnitten in NRW wird sogar ein Fahrzeugaufkommen von mehr als 100.000 Fahrzeugen pro Tag bewältigt. Dagegen gibt es nur wenige Abschnitte auf fertiggestellten Autobahnen in NRW, die ähnlich schwach ausgelastet sind, wie es der A4 durch das Rothaargebirge bevorstehen könnte. Nach Ansicht des VCD wäre eine dreibahnige Bundesstraße (RQ 15,5) zur Bewältigung dieses Verkehrsaufkommen völlig ausreichend. Auch hier muss noch gefragt werden, woher diese Fahrzeuge kommen sollen, denn die heutigen Bundesstraßen weisen ein deutlich geringeres Verkehrsaufkommen auf.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, „dass ein Autobahnbau im Planungsraum aus ökologischer Sicht […] nicht vertretbar ist.“ Sehr bedenklich findet der VCD das Vorgehen einiger Lobbyisten, die sich über diese Umweltbedenken hinwegsetzen. Wenn eine Maßnahme aus bestimmten Gründen nicht vertretbar ist, dann kann sie andere noch so große Vorteile mit sich bringen, sie bleibt trotzdem nicht vertretbar. Wenn die A4 gebaut werden soll, ist nur eine Variante, die Wittgenstein und das Rothaargebirge in weitem Bogen umfährt, überhaupt zu verantworten. Dabei bleiben jedoch die propagierten neuen Entwicklungspotentiale für die Region auf der Strecke. Der VCD steht als Verkehrsclub, der insbesondere die Interessen der nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer, der ÖPNV-Nutzer, aber auch der umweltbewussten Autofahrer vertritt, neuen Straßenbauprojekten skeptisch gegenüber. Wir sehen uns durch die Machbarkeitsstudie in unserer Auffassung bestätigt: der Bau der A4 muss nach vorliegender Sachlage abgelehnt werden. Wir halten weitere Planungen in Sachen ‚A4‘ für eine Verschwendung von Steuergeldern.
Abschließend möchten wir noch anmerken, dass die uns zur Verfügung gestellte Kurzfassung nicht vollständig war. Die Karten mit den Querschnittsbelastungen mußten wir uns auf anderem Weg besorgen.

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Vorstellung der Zwischenergebnisse der Machbarkeitsstudie zur Autobahn A4

Im Rahmen einer Informationsveranstalltung des heimischen CDU Politikers P. Breuer sollten erste Zwischenergebnisse der Machbarkeitsstudie zur A4 vorgestellt werden. Mitarbeiter der beauftragten Planungsbüros sollten diese Zwischenergebnisse übermitteln.
Die Veranstaltung sollte Informationscharakter haben, erinnerte aber wegen eines großen Posters neben dem Podium mit der Aufschrift „Ja zum Lückenschluss A4“ eher an eine Werbeveranstaltung für die A4. Die Ansprache von P. Breuer war ebenso zu verstehen. Versammlungsort war das Haus Wittgenstein in Erntebrück.
Zunächst erläuterte Gutachter Dr. Stöcker vom Büro STEIERWALD, welches die Machbarkeitsstudie (Mbs) durchführen soll, Vorgehen, Methode und Ablauf der Mbs.
Er erläuterte den Planungsraum, der im Norden durch die A44 (Dormund-Kassel) und im Süden durch die A5 (Giessen-Bad Hersfeld begrenzt ist. Innerhalb dieses Planungsraumes gelte es einen geeigneten Korridor für die weiterzubauende A4 zu finden.
Er wies darauf hin, daß in diesem Gebiet aus planerischer Sicht unterschiedliche Raumwiderstandszonen gebe, die bei der Trassierung der A4 zu berücksichtigen seien.
Diese Zonen wurden insbesondere im Westfaelischen Teil dem Weiterbau der A4 nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten bereiten. So sei im Bereich des Rothaarkammes im Prinzip nur eine Tunnellösung möglich, die natürlich sehr kostspielig sei.
Bedingt durch die topografischen Gegebenheiten müßte auch mit Geschwindigkeitsbeschränkungen auf dieser Autobahn gerechnet werden.
Als nächstes erläuterte Dr. Jansen von der Fa. PLANCO die Auswirkungen der A4 auf die regionale Wirtschaftsstruktur unter Berücksichtigung der Raumstruktur und Planung der Raumordnung.
Er verwies darauf, daß nach seinen Untersuchungen insbesondere im Dienstleistungsbereich in dieser Region auch ohne die A4 eine deutliche Zunahme bis zum Jahr 2010 zu erwarten wäre. Auch die Zahl der Feriengäste würde bis dahin leicht ansteigen. Der Bau der A4 könnte zwar einerseits die Erreichbarkeit der Region verbessern, anderseits aber auch ihren Erholungswert gefährten.
Auch der Pendlerverkehr aus der Region heraus, das heißt Abwanderung der Arbeitskräfte in Nachbarregioen, würde erfahrungsgemäß zunehmen, wodurch dem Einzelhandel auch Kaufkraft verloren ginge.
Bezüglich der Schaffung neuer Arbeitsplätze durch den Weiterbau der A4 gab er an, daß nach den Untersuchungen entlang anderer Autobahnen, mit etwa 8 neuen Arbeitsplätzen je Autobahnkilometer zu rechnen sei. Das würde bedeuten, daß entlang des westfälischen Teiles der A4 (ca. 35 km lang) mit etwa 280 neuen Arbeitsplätzen zu rechnen wäre. Die Baukosten für jeden Autobahnkilometer könnten mit etwa 20 Mio. DM angenommen werden.
Nach einer Bemerkung von Stadtdirektor Bell (Hilchenbach), sollte man dann doch das Geld sinnvoller zur Schaffung von Arbeitsplätzen bzw. zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes einsetzen.
Abschließend erklärte Herr Ass. Höhne (IHK Siegen) daß einer Umfrage zufolge von 870 Betrieben im Raum Siegerland/Wittgenstein eine große Anzahl den Weiterbau der A4 forderten, weil sich dadurch ihre Standortbedingungen verbesserten. Genaue Angaben über Art und Weise dieser Umfrage machte er nicht. Er selbst sehe in der A4 eine Stabilisierung des Wirtschaftsraumes.
In einer abschließenden Diskussion wiesen Vertreter von VCD, Umweltverbänden und Bürgerinitiativen auf die Wichtigkeit hin, daß die Untersuchungen zur Machbarkeitsstudie A4 objektiv und unbeeinflußt durchgeführt werden, und daß sie nicht vom Willen der Politiker und Wirtschaftsverbände geprägt werden dürfe, die den Weiterbau der A4 unbedingt wollen.
Dieter Gebauer <gebauer@alwa01.physik.uni-siegen.de>