Autor Michael Roth – Siegener Zeitung
„Das erneut große Interesse der NRW-Bürger an unserem Nahverkehrs-Test freut uns sehr“, sagt DB Regio NRW.
Probefahren mit der Bahn in den Herbstferien, ein verlockendes Angebot. Die DB Regio NRW hat mit dem kostenlosen Nahverkehrs-Test offenbar großen Erfolg. Die ersten 300 Tickets waren schnell vergriffen. auf vielfachen Kundenwunsch hat das Bahnunternehmen die Aktion bis in die zweite Herbstferien-Woche ausgedehnt. 1000 zusätzliche Fahrkarten sind längst vergeben. das Kontingent ist erschöpft. Sieben ausgewählte Strecken im Nahverkehr standen zur Wahl, natürlich auch die Route Siegen-Köln-Aachen (RE 9). Täglich wurden Tickets vergeben. An vier Tagen hintereinander Fehlanzeige: .Ausgebucht!“ Der frühe Vogel fängt den Wurm, und siehe da, die SZ kam durch, ergatterte einen Fahrschein. Freie Bahnfahrten Köln und Aachen. Um den vielen Berufspendlern aus dem Weg zu gehen, nahm die SZ den RE 9-Express Um 11.10 Uhr. Und siehe da, es stand sogar ein Talent 2 auf Gleis 54 zur Abfahrt bereit. Kein Ersatz oder Entlastungszug aus Doppelstockwagen und auch keine „Silberlinge“ (modernisierte Wagen aus den 70er Jahren) mit vorgespannter Lok. Beide Fahrzeugtypen mussten in den vergangenen Monaten häufig aushelfen, weil bis zu 50 Prozent der Talent-Fahrzeugflotte wegen diverser technischer Mängel ausgefallen war. Sagt der Verkehrsverbund Rhein-Sieg. Schnell rein in den roten Flitzer. Erster Wagen: übervoll, die Luft zum Schneiden. Zweiter Wagen: auch voll. Also durchgehen bis fast zum Zugführer. Platz genug. Sogar ein Vierer-Sitz mit Tischchen und Steckdose ist frei. Danke liebe Bahn. Das kostenlose Handy-Aufladen kam gerade zur rechten Zeit.
Die Fahrt an sich ist kurz erzählt: In Brachbach, Betzdorf und Wissen steigen jede Menge Leute ein, fast niemand aus. Schnell sind (alle hartgepolsterten) Plätze belegt. Koffer stehen im Gang. Ein nicht ganz junger Mann mit südländischem Teint schaut in jedem Abfallbehälter nach Verwertbarem. Zwei Pfandflaschen hat er ergattert. Niemand nimmt Notiz von ihm. Auch nicht das – unsichtbare – Zugpersonal. Ein Schaffner lässt sich, auf der ganzen Fahrt nicht blicken. Fahrscheinkontrolle? Fehlanzeige. Egal. Mit acht Minuten Verspätung rollt der Talent 2 in den Kölner Hauptbahnhof ein. Wo ist die Zeit nur geblieben? Unterwegs gab es kurz Stillstand. Ein ICE durfte überholen, und der letzte Kilometer in den Hauptbahnhof ging nur im Schneckentempo. Ein Umstand, der alle nach Köln einfahrenden Züge betrifft.
Der Tag in der Domstadt war sonnig und anstrengend. Abfahrt 17.23 Uhr. Ob das wohl klappt? Wieder ein Talent 2 und kein Ersatz, pünktlich aus Aachen kommend. Aber so was von voll, nur der letzte Klappsitz vor der Toilette ist noch frei. Dutzende Reisende müssen schon von Köln an stehen bleiben. Zwei Radfahrer quetschen sich durch, die beiden Räder blockieren vier Klappsitze. Keiner murrt, alle akzeptieren das. Bis nach Wissen ist der RE 9 voll. Wieder huscht der Flaschensammler vom Morgen durch den Zug, diesmal ist seine Discounter-Tüte voll. Ab Betzdorf lichten sich die Reihen, ein normaler Sitzplatz wird frei. Und wieder kommt kein Schaffner vorbei. Gibt es diese Mitarbeiter bei der Bahn nicht mehr? 20 Minuten später rollt der Talent 2 in Siegen ein. Eigentlich pünktlich. Nur eine Minute Verzug. Und dennoch kommt am Bahnsteig Hektik auf. Aus dem Pulk der Reisenden kommen geschätzt zwei Dutzend Leute mit Koffern und Rucksäcken ganz schön in Wallung. Sie rennen und erreichen tatsächlich ihren Anschlusszug nach Dillenburg, der nur vier Minuten nach der Ankunft des RE 9 den Siegener Bahnhof verlässt. Glück gehabt. Kein Witz: Vor kurzem, es war ein Sonntag, kam ein Silberling-Ersatzzug aus Köln mit 25 Minuten Verspätung in Siegen an.
Fazit: Das Probefahren mit der DB-Regio NRW hat.sich durchaus gelohnt, die kleine Verspätung in Köln war verkraftbar. Ein Dauerproblem wird bleiben, der Talent 2 hat einfach zu wenig Sitzplätze, um die Masse der Berufspendler zu bewältigen. Von Köln bis Betzdorf auf einem Notsitz hocken oder im Gang stehen, das möchte sich kein Bahnreisender jeden Tag antun. Obwohl noch neu, der Talent 2 hat ein paar grundsätzliche Macken: Die Sitze sind unbequem, nur kurzbeinige Reisende stoßen sich nicht die Knie am Abfallbehälter mit aufgesetztem Tischchen. Nicht wundern: Die eigentlichen Sitzabteile sind gut beheizt, auf den Klappsitzen vorm WC zieht es dagegen buchstäblich wie Hechtsuppe. Die Probefahrten laufen noch, die SZ fragte bei der DB AG nach einem Zwischenfazit: „Die Aktion ist sehr gut angenommen worden“, hieß es aus der Düsseldorfer Pressestelle. Das erneut große Interesse der NRW-Bürger an unserem Nahverkehrs-Test freut uns sehr“, bekundete kürzlich Heinrich Brüggemann, Vorsitzender der Geschäftsleitung von DB-Regio NRW. Unter dem Motto „NRW. Ehrliches Land. Ehrliche Menschen“ hatte die DB-Regio NRW bereits 2012 erst 3000 und zusätzlich weitere 1000 NRW-Bürger zum Nahverkehrs-Test eingeladen. Damals war die PR-Aktion nach Darstellung der Bahn überaus positiv verlaufen, 90 Prozent zeigten sich mit den Probefahrten zufrieden, 88 Prozent hatten angegeben, die Nutzung der Züge weiter zu empfehlen (alles Angaben der DB Regio NRW): Mal schauen, ob die Bahn nach dem 29. Oktober wieder ein so überzeugtes Fazit ziehen wird.