Warum der neue IC 34 an Hagen vorbeifährt

Die Bahn ist durch den steten Zuwachs der Fahrgastzahlen im Fernbusverkehr in arge Bedrängnis geraten. Neben der EEG-Umlage in Höhe von 160 Millionen Euro wird die Bahn als einziger Verkehrsträger mit einer CO₂ – Abgabe in Höhe von 60 Millionen Euro belastet. Zusätzlich ist eine Stromsteuer zu zahlen und die Gebühren für die Trassennutzung steigen. Die Fernbusse müssen nicht einmal eine Maut zahlen  und können immer mehr Fahrgäste bei der Bahn durch niedrige Tarife abwerben. [1] Die Zahl der Kunden stieg im Fernbusverkehr von 1,3 Millionen im ersten Halbjahr 2013 auf 16 Millionen im Jahr 2014. Für 2015 wird mit 20 Millionen gerechnet. [2]
Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Bahn nun in die Offensive geht und das Fernverkehrsnetz durch neue Intercity-Linien ausbauen will. So sollen möglichst alle Großstädte, die bislang keinen Anschluss an das Fernverkehrsnetz hatten, eine IC-Anbindung erhalten. Der neue IC 34, der ab Dezember 2019 Frankfurt mit Dortmund und Münster verbinden soll, wird auf der Ruhr-Sieg-Strecke verkehren. Damit wird zum Beispiel die Stadt Siegen, in der bereits viele Fernbusse halt machen, auch eine Anbindung an das Fernverkehrsnetz erhalten. In der Konkurrenz zum Fernbus sollte der neue Fernzug schnell sein und nicht an allen Stationen, die vom Nahverkehr bedient werden, haltmachen. Auf diese Weise wird die Fahrtzeit mit dem neuen Zug zwischen Dortmund und Siegen weniger als zwei Stunden betragen.
Seit April 2015 verhandelt die Bahn mit dem Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) über ein Verkehrskonzept für die Region. Erste Ergebnisse liegen seit Anfang Dezember vor. Danach soll der neue Fernzug entlang der Ruhr-Sieg-Strecke in Iserlohn – Letmathe, Altena, Werdohl, Plettenberg, Finnentrop, Altenhundem, Kreuztal und Siegen halten. Ein Halt in Hagen ist nicht vorgesehen. Der Zug soll, wie oben beschrieben, schnell sein und ein Kopfmachen in Hagen würde einen Zeitverlust von ca. 10 Minuten darstellen.
Zurzeit fahren stündlich zwei Nahverkehrszüge (RB 91 und RE 16) auf der Ruhr-Sieg-Strecke von Hagen nach Siegen und zurück. Ein Weiterfahren ist Siegen in nur mit einem Umstieg möglich. In umgekehrter Richtung endet der RB 91 in Hagen. Der RE 16 fährt weiter nach Essen. Der IC 34 soll alle zwei Stunden einen RE 16 auf der Ruhr-Sieg-Strecke zwischen Iserlohn – Letmathe und Siegen ersetzen. Damit von Hagen aus der IC 34 auf der Weiterfahrt nach Siegen im Bahnhof Letmathe erreicht werden kann, soll eine Vertaktung von RE 16 und IC 34 in Letmathe erfolgen. Die Zeit zum Umsteigen soll knapp bemessen werden. So kann es aber häufig passieren, dass der Anschluss verpasst wird, da gerade im Fernverkehr Verspätungen an der Tagesordnung sind.
Hierdurch werden die Pendlerströme zwischen Siegen und Essen behindert, die bisher mit dem RE 16 fuhren. Immerhin werden auf der Ruhr-Sieg-Strecke die Fahrgäste eines Zuges von vier Nahverkehrszügen gezwungen sein, in Letmathe umzusteigen. Es darf aber nicht sein, dass die Förderung des Fernverkehrs auf Kosten des Nahverkehrs erfolgt.
Der neue IC 34 wird so schnell sein, dass er einfach an Hagen vorbeirauscht. Der große Nachteil des Fernbusses ist in der Regel die fehlende Verknüpfung mit dem ÖPNV bzw. SPNV in den Zentren der Städte. Das bedeutet für die Bahnkunden aus Hagen und Umgebung, dass dieser gravierende Nachteil des Fernbusses auf den neuen Fernzug übertragen wird. Aus Sicht der Stadt Hagen hält der Zug an der Peripherie. Alle Zeitgewinne auf offener Strecke werden durch Zeitverluste auf dem Wege von Hagen nach Letmathe wieder zunichte gemacht. Dabei sollte es doch darum gehen, die Vorzüge der Bahn auszureizen und eine Verknüpfung mit dem übrigen Bus- und Bahnverkehr sicherzustellen.
Der bisherige Vorteil der Bahn bestand in den vielseitigen Umsteigebeziehungen in den zentralen Knotenpunkten wie dem Hbf Hagen. Wenn der IC nicht in Hagen hält, wäre eine kurze Anbindung der Städte Wuppertal, Schwelm usw. westlich von Hagen und der Städte Schwerte, Unna, Arnsberg usw. östlich von Hagen an die neue IC – Verbindung nur unter erschwerten Bedingungen möglich. (c) Christian Strähler / Hagen

[1] Quelle: „Der große Konkurrent ist die Straße. Warum landen zunehmend Güter in LKW und Passagiere in Fernbussen?“ Diese Frage beantwortete Bahnvorstand Ronald Profalla in einem Interview, dass am 1. 12. 2015 in der WP erschien, wie folgt: „Die Schiene wird im Wettbewerb deutlich benachteiligt. 2012 bezahlten wir noch knapp 40 Millionen Euro für die EEG-Umlage, heute sind es rund 160 Millionen Euro. Wir werden als einziger Verkehrsträger mit einer CO₂ – Abgabe mit 60 Millionen Euro belastet, dazu kommt noch die Stromsteuer. Gleichzeitig sind die Mautgebühren für LKW um rund sechs Prozent gesunken, während wir für die Trassennutzung zwei bis drei Prozent mehr bezahlen müssen (…)“.
[2] Quelle: „Die Zahl der Kunden stieg rasant, von 1,3 Millionen im ersten Halbjahr 2013 auf über acht Millionen Ende 2013. Für 2014 meldete das Statistische Bundesamt 16 Millionen, für 2015 rechnet da BDO mit 20 Millionen Kunden (…) Köln hat als erste Großstadt die Fernbusse aus der Innenstadt ausgesperrt. Weil die Unfallgefahr gestiegen sei und die Busse die Luft im Zentrum mit Stickoxiden belasten, müssen sie nun zum Flughafen Köln/Bonn (…) Sogar der Deutsche Städtetag macht sich Gedanken über die Fernbusinfrastruktur, forderte mehr Geld für den Ausbau, etwa über die Ausweitung der LKW-Maut auf Fernbusse.“ (WP 24. 11. 2015)